Literature & Radio by Helmut Gold

 
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Zurich

Am Ausfluss des Sees hängengeblieben: Stadt und Leute, beidseits angeschwemmt, in Aktienhügeln am offenen Kanalisationsfluss wohnend. Die Aussenbezirke liegen schon in der Güllezone.

Brücken verbinden, Kreditschlitten paaren sich mit dem Tram. Schwimm- und Flaniermeilen, Fusswege wie blühende Asphaltlilien, auf denen Jung und Alt mit grosszügigen Runzelkittgesichtern stolzieren. Wer die Bahnhofstrasse begangen hat, wird so schnell nicht wieder über so viel Gold schreiten, Parade kommt hier von Paradies. Verlegenes Schielen zum Frauenbad, manch einer pafft genüsslich und drückt sich den Stumpen im Hosensack aus.

Was für Frankfurter die Wienerli, sind für Wiener die Frankfurter. Zürich hat die Bircherschüblig! Senilowskis begegnen Bürozwetschgen, verzehren rezessiv Arbeiterforellen. Sozialpolitische Blindgänger wohnen postlagernd und begnügen sich mit Pfützen.

Wer kümmert sich an einem schönen Sommertag schon um die Signale aus der Polizeivilla an der Centralkreuzung? Beim Brotessen bekommen die meisten Kopfweh und verschanzen sich lieber auf die bebaute Insel, schlemmen oder tanzen zu Hosenträgermusik.

Das Schlechtwetterprogramm füllen die Museen oder die vielen PsychoSympathieTheater. In der Sinfoniegarage kocht regelmässig das fidele Orchester die Fidelisuppe. Pflanzte etwa Goethe nach dem Vollmondbad am Lindenhof den Baum für Schuberts Ständchen? Erfand Einstein nicht das Dreibein auf dem das Zweibein neben dem Vierbein sitzt? Joyces Oden gäbe es wohl ohne dem Odeon nicht, oder war alles vielleicht ganz anders?

Anscheinend ist hier nichts verkehrt, denn scheint die Sonne noch so lange, die Schatten sind kürzer als anderswo. Das Stadtherz kommt ohne wolkenkratzender Häuser aus,

weshalb es die wenigsten hoch hinaus schaffen.

Nieder und niedlich gehen vielen über den Lebensrand hinaus die Augen erst im Dreck auf, wie der Kartoffel übrigens, und sie gesellen sich zu den vielen Berühmtheiten, die in Ewigkeit den Salat schnetzelnd von der Wurzel an essen.

Vielleicht ist es doch besser, nach reichlicher Sprünglieinkehr mit der Zahnbürste die StrassBurgerStummel wegzuwischen, als weiter der Limmatstadt zu gedenken!

 
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Helgoart

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